Andrea Wolf (Ronahi), eine Internationalistin in Kurdistan
geb. 15. Januar 1965 in München; getötet 23. Oktober 1998 Sax (Çatak),
„Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe,
die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen würden. Einfach den Nachschub kappen. Ich weiß, es ist angesichts des Zustands in den Metropolen utopisch. […] Auch auf längere Zeit wird es so bleiben. Schade, das wäre was. Eine militante Bewegung, die die Kriegsmaschine lahmlegt.“ Andrea Wolf schrieb diese Sätze am 1. Mai 1997 in den Bergen Kurdistans. Ihre Biografie erzählt auch einen wichtigen Teil der Geschichte des Widerstandes in der BRD von 1980 bis Ende der 1990er Jahre:
Geboren wurde Andrea am 15. Januar 1965 gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder Tom in München. Sie begann sich früh politisch zu engagieren. Zum Beispiel Anfang der 1980er Jahre in der Bewegung „Freizeit 81“ mit dem Ziel der Verschmelzung von Kampf, Kunst, Punk und Politik: „Wir müssen härter werden ohne unsere Zärtlichkeit zu verlieren“, hieß es in einem Manifest und weiter: „Freizeit 81 ist gewaltlos oder militant, legal oder illegal, ängstlich oder stark, auf jeden Fall: Gefühl und Härte!“
Mit 16 wurde Andrea 1981 zum ersten Mal wegen Aktionen der Bewegung „Freizeit 81“ für sechs Monate in den Frauenknast Aichach gesperrt. Ab 1985 engagierte sie sich beim Aufbau des Münchner Infoladens, bei Aktionen gegen alte und neue Nazis, im bayerischen Autonomenplenum, gegen den Weltwirtschaftsgipfel (WWG) in Bonn und gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf. Die Solidarität mit politischen Gefangenen in diesem Land und weltweit war dabei immer auch ihre Sache.
1986 ging Andrea nach Frankfurt am Main und Offenbach. Sie engagierte sich in der autonomen Frauenbewegung, im Startbahnwiderstand, bei Hausbesetzungen und beim Aufbau von überregionalen Strukturen: „Den Sprung von der spontanen Bewegung zur organisierten revolutionären Kraft einleiten“, heißt es in einem Papier vom Herbst 1987. Erneut wurde Andrea verhaftet und saß drei Monate in Isolationshaft, bis die Anklage als Konstruktion entlarvt wurde. Danach organisierte sich Andrea in der Gruppe „Kein Friede“ und hatte seit 1990 intensive Diskussionen und Kontakte zur kurdischen Bewegung, insbesondere zu Hüseyin Celebi. In der bundesweiten Mobilisierung gegen den (WWG) 1992 in München machte sie sich auf dem Gegenkongress und praktisch auf der Straße für eine verstärkte internationale Zusammenarbeit linksradikaler Initiativen stark. Sie wurde Gründungsmitglied der Initiative Libertad!. Auf Reisen nach Mittelamerika setzte sie die Diskussionen mit politischen Gefangenen und revolutionären Organisationen fort, unter anderem in den USA, in El Salvador, Nicaragua und Guatemala.
Wieder gerät Andrea ins Visier der deutschen Repressionsorgane: Sie wird beschuldigt, am Anschlag auf den Gefängnisneubau in Weiterstadt bei Frankfurt 1993 beteiligt gewesen und Mitglied der Stadtguerilla RAF zu sein. Das Verfahren wird sechs Jahre später eingestellt. Andrea entzieht sich 1995 der Festnahme und schreibt in einem Brief im Juli 1996: „(…) stattdessen sollte endlich das pkk-verbot aufgehoben, die militärhilfe für die türkei eingestellt werden, die politischen gefangenen freigelassen und die menschenverachtende asylpraxis gestoppt werden. für unser recht auf leben als menschen und frauen, freiheit und glück.“
Im Januar 1997 schloss sich Andrea der kurdischen Frauenarmee Yajk an. In den kurdischen Bergen heißt sie Ronahi. Vor ihrer geplanten Rückkehr nach Deutschland wurde sie am 23. Oktober 1998 nach einer Operation des türkischen Militärs in der Nähe des Dorfes Keleh (Andicen) in den Bergen von Sax (Çatak, Provinz Wan) leicht verletzt gefangenen genommen, gefoltert und als unbewaffnete Gefangene extralegal hingerichtet.* Andrea war 33 Jahre alt.
FreundInnen und GenossInnen von Andrea/Ronahi, 18. März 2021
*Nach bisherigen Erkenntnissen wurden 24 Kämpfer*innen im Gefecht und bei dem anschließenden Massaker ermordet: Hozan Hogir, Rojhat, Cembeli, Kamuran, Azime Savas, Agiri, Botan, Kawa, Siyar, Lesker, Kemal, Tekoser, Amed, Deniz, Xosnav, Harun Aziz, Kendal Berxwedan, Gabar Af rin, Sipan, Salman, Bahoz, Dibirin, Xezal und Ronahi (Andrea Wolf).
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